Theater Narrenschiff

Jennifer Angersbach

15 Jahre - 15 Fragen . Das tn Ensemble interviewt sich

Und wieder könnte man sagen „Der TN Vorstand interviewt sich“. Unser erster Vorsitzende Marco Janiel hat unsere Darstellerin und Schatzmeisterin des Vereins Jennifer Angersbach interviewt. Jenny ist schon seit unserer ersten Jugendclub-Produktion HOTEL TARANTINO mit dabei. Sie hat zwischendurch Schauspiel in Köln studiert und ist seit 2011 festes Ensemblemitglied im TN und seit 2012 im Vorstand des Vereins.

Jennifer Angersbach . Ensemblemitglied seit 2011

„Theater hat einen so großen Einfluss auf jeden Einzelnen und inspiriert, stimmt fröhlich oder berührt, regt zum Nachdenken an und kann den Wunsch nach Veränderung auslösen.“

Marco: So, Jenny, es ist mir eine große Ehre dich interviewen zu dürfen, denn ich habe 2004 auch den Jugendclub zusammen mit Andre begleitet in dem du bei uns angefangen hast. Also, Jennifer Angersbach im Theater seit besagter Saison 2004/2005 erstes Stück Hotel Tarantino, seitdem regelmäßig auf der Bühne zu sehen, Schatzmeisterin des Vereins, legen wir mal los. Wie hat sich das Theater in den letzten 15 Jahren verändert?

Jenny: Das Theater hat sich geöffnet. Unser Publikum hat sich vergrößert und mittlerweile muss man nicht mehr erklären was und wo das Theater Narrenschiff ist, sondern wird in anderen Städten darauf angesprochen, warum man denn den tn-Beutel trägt.

Marco: Du kamst damals zu uns als gutaussehende, talentierte Darstellerin, aber wir waren weder deine erste noch deine letzte Schauspielstation, beschreib doch mal deinen Schauspielwerdegang. 

Jenny: Und jetzt sieh an, was aus mir geworden ist? Ich habe vor allem als Teenie ein paar Theater-Freizeiten der evangelischen Jugend mitgemacht. War bei sämtlichen Krippenspielen die die katholische Kirche veranstaltete dabei und durch den Literaturkurs zu Abizeiten bin ich dann zu euch gekommen und irgendwie hatte ich keine Wahl. Ich wollte Theaterwissenschaft studieren, André meinte ich gehöre wenn dann AUF die Bühne und obwohl ich eigentlich was 'Vernünftiges' lernen wollte, hat mein Papa mich überzeugt auf eine Schauspielschule zu gehen. Nach meinem kleinen Exkurs ins Showbussines kam ich dann aber doch zurück nach Unna. Natürlich hab ich noch was 'Vernünft..' ähm, Erziehungswissenschaft studiert und nun darf ich hier weiterhin meiner Leidenschaft nachgehen.

Marco: Wie glaubst du hast du dich selbst verändert seit damals?

Jenny: Ich bin immer noch die gutaussehende, talentierte Darstellerin würde ich sagen, oder? 

Marco: Was ist für dich der größte Unterschied zwischen Theater und Film, du kennst ja beide Seiten gut?

Jenny: Uiuiuiuiui... darf ich jetzt Horkheimer und Adorno zitieren? Oder über die Digitalisierung sprechen? Oder doch lieber Aristoteles? Vielleicht fange ich mal mit dem größten Unterschied aus Schauspielersicht an, dann wird es auch nicht so Gesellschaftskritisch: Während man im Theater seine Gefühle eher mit Hilfe des ganzen Körpers darstellen muss, damit auch die letzte Reihe sieht WIE traurig man ist, so kann man vor der Kamera ganz klein und authentisch spielen. Ein leichtes Zittern der Mundwinkel, ein leicht geöffneter Mund, die Augen werden feucht, die Lider senken sich, alles wird von der Kamera aufgefangen und die Zuschauer leiden mit, werden berührt. Genau aus diesem Grund bin ich ein so großer Fan vom tn. Die Schauspieler sind dem Publikum so nah, dass auch hier nicht übertrieben werden muss, es sei denn die Rolle verlangt das. Man kann authentisch spielen, fühlen und als Zuschauer mitfühlen. Zumindest bleibt bei mir selten ein Auge trocken wenn ich als Zuschauer zu Gast bin.

Marco: Welches Stück, welche Rolle, die du gespielt hast, ist dir im Theater am meisten in Erinnerung?

Jenny: Katharina (DER WIEDERSPÄNSTIGEN ZÄHMUNG, 2016) und Jenna (Die.You.Tube.Monologe 2.0, 2013). Ich habe großen Respekt vor Komödien, großen Respekt davor eine Rolle zu verkörpern die lustig ist. Ich wurde meist als Trauerkloß besetzt und starb in sämtlichen Filmen in denen ich nach meiner Ausbildung mitspielte. Im Theater durfte ich dann Jenna spielen, eine typische You-Tuberin die über Handtaschen und Lipgloss philosophiert. Ich durfte selbst noch einige eigene Anekdoten einpflegen und fühlte mich auf der Bühne sehr zu Hause. Es war wie „Stand-Up“ und das hätte ich mir selbst nicht zugetraut. Aber mein Lieblingsstück mit meiner Lieblingsrolle war "Der Widerspenstigen Zähmung" inszeniert von der wunderbaren Judith Binias. Du erinnerst Dich? Das Stück in dem wir uns gegenseitig verprügelt und geheiratet haben. Das Stück was sich mein damals noch 5-Jähriger Sohn 4x angeschaut hat und was in der Stadt Unna für einige Unruhe gesorgt hat. 

Marco: Darstellerin, Vorstand, Arbeit, Familie unter einen Hut zu bringen sind sicherlich schwierig, aber bestimmt auch abwechslungsreich. Wie schaffst du das alles?

Jenny: Ich schaffe es leider nicht wirklich alles. Hoffe auf bessere Zeiten. Zuletzt stand ich 2016 auf der Bühne und vermisse es sehr. 

Marco: Was schätzt du am Theater Narrenschiff am meisten?

Jenny: André und Judith. Ohne die beiden wäre das tn nicht so wunderbar bunt und abwechslungsreich. Wir wären niemals so groß geworden und hätten vermutlich ordentlich Nachwuchs-Probleme. Insbesondere André schafft es immer wieder aufs Neue das Publikum aber auch uns Darsteller zu verzaubern, in eine ganz neue Welt zu führen und uns zu berühren - und das mit so wenigen Mitteln (ich muss es wissen, ich verwalte ja das Geld). Die Texte von Judith regen zum Nachdenken an und eröffnen nochmals ganz neue Interpretationsmöglichkeiten und Deutungen. Nicht selten gehe ich aus einem Stück nach Hause und diskutiere noch bis spät in die Nacht über die Liebe, das Leben, das Weltgeschehen oder Politik und Moral - angeregt durch das tn.

Marco: Gibt es eine Rolle die du in Zukunft gerne mal spielen möchtest? Etwas das dich besonders reizt?

Jenny: Nichts Konkretes eigentlich. Wobei... Ich habe mal 'Gut gegen Nordwind' gelesen und hatte direkt Lust das als Theaterstück zu inszenieren und selbst mitzuspielen. Eine neue Stand-Up-Nummer würde mich auch reizen. Aber eigentlich würde ich einfach gerne mal wieder auf der Bühne stehen.

Marco: Warum ist es heutzutage immer noch wichtig Theater zu machen? Welchen Einfluss kann Theater haben?

Jenny: Ich gehe nicht so weit wie meine NDL-Professorin die uns in einer Vorlesung erklärte Opitz habe mit seinem "Buch der deutsche Poeterey" den Krieg beendet, aber Kunst ist dennoch wichtig. Theater hat einen so großen Einfluss auf die Einzelnen und inspiriert, stimmt fröhlich oder berührt, regt zum Nachdenken an und kann den Wunsch nach Veränderung auslösen. Im Theater kann man aber auch einfach abschalten, im wahrsten Sinne des Wortes. Man kann von den Fehlern der Rollen lernen, die Moral wörtlich nehmen und sein Handeln überdenken, bevor man sich ähnlich unreflektiert verhält wie bspw. Eddie Carbone im aktuellen Stück "Ein Blick von der Brücke". Man begleitet Eddie auf seinem Weg ins Verderben, zunächst geht man gerne mit, weil er einfach von einem so charmanten Darsteller verkörpert wird, doch irgendwann wird es einem zu 'krass', aber Eddie sieht das nicht... 

Marco: Wir haben ja einige Produktionen zusammengespielt und ich habe so eine Ahnung wie die Antwort lautet, aber nach so vielen Jahren Theater ist man da eigentlich noch nervös vor einer Aufführung? 

Jenny: Oh ja. Aber vielleicht bleibt das besser unter uns? Oft kriege ich kaum Luft, meine Knie zittern und der erste Satz kostet mich mehr Überwindung als ein 2-Seiten-Monolog in der Mitte des Stückes.

Marco: Hast du eine Lieblingstheateranekdote aus 15 Jahren Narrenschiff? Eine witzige Begebenheit auf der Bühne oder während der Proben? 

Jenny: Durchaus. Aber die gehören hier nicht hin ;-)

Marco: Welche Filmrolle hättest du gerne mal gespielt?

Jenny: Zu schwierig. Kann man Fragen löschen? Ich wäre gerne ein Gilmore Girl. Ui... jetzt fallen mir ganz viele Serien ein, in denen ich gerne zum Hauptcast gehören würde... Oh Mann. Ich will wieder spielen!

Marco: Lieblingssuperheld?

Jenny: Eigentlich ja Tony Stark. Aber irgendwer hat mir mal gesagt wie toll Captain America sei. Hulk ist mir allerdings auch recht sympathisch. Hm... Ach ich weiß, Dorothy Gale aus dem Zauberer von Oz.

Marco: Wann werden wir dich auf der Bühne wiedersehen?

Jenny: Ich muss dringend André anrufen!

Marco: Was wünscht du dir für unsere nächsten 15 Jahre?

Jenny: Zeit. Mehr Probenzeit. Mehr Zeit seitens der Darsteller. Aus gegebenem Anlass: Kindertheater! Noch mehr Möglichkeiten und finanzielle Mittel um all die Ideen und all die Wünsche und Pläne auch tatsächlich umzusetzen. So was.

Marco: Gibt es ein Theaterzitat, an das du dich gerne erinnerst?

Jenny: "Mein Mund muss sprechen von der Wut des Herzenes, denn sonst zerbricht mein Herz, wenn es die Wut verschweigt" (Katharina in Der Widerspenstigen Zähmung)

 

Interview, Sommer 2017