Theater Narrenschiff

Tanja Brügger

15 Jahre – 15 Fragen . Das tn-Ensemble interviewt sich

Lilja Kopka hat für euch Tanja Brügger interviewt. Tanja hat schon eine Gastproduktion auf der tn Bühne gespielt, bevor sie 2009 dann in VIEL LÄRM UM NICHTS als Ensemblemitglied auf der tn-Bühne, bzw. in der Manege des Zirkus Travados stand. Tanja ist freie Theaterpädagogin und Schauspielerin und hat außerdem schon Inspizienzen, und Regieassistenzen u.a. im Schauspielhaus Bochum durchgeführt.

Tanja Brügger . Ensemblemitglied seit 2009

„Gefällt nicht immer, aber es erweitert den Horizont.“

Lilja: Liebe Tanja, deine erste Rolle im tn war 2009 Antonia in VIEL LÄRM UM NICHTS, ich war damals auch schon dabei und durfte diese Rolle dann 2016 übernehmen. Ist es komisch eine Figur zu spielen, die ursprünglich als Mann angelegt ist? Oder sollte man das sogar noch viel häufiger umdrehen?

Tanja: Bei der Rolle Antonia fand ich es okay, und ich denke, dass es als Kunstgriff gut in eine Inszenierung passen kann, wenn Frauen Männerrollen spielen. Aber meiner Meinung nach sollte man dies nicht häufiger tun, der/die AutorIn des Stücks hat sich ja gut überlegt, ob eine Rolle männlich oder weiblich angelegt ist. Die Aussage eines Stücks wird durch einen Geschlechterwechsel anders interpretiert, und das muss man vertreten können.

Lilja: Du wohnst in Essen, und bist eher zufällig ins narrenschiff gestolpert. Erzähl mal, wie bist du hier gelandet?

Tanja: 2008 hatte ich unter der Regie von Tony Glaser Premiere mit 5 IM GLEICHEN KLEID von Alan Ball. Da Tony auch im „alten‘ Narrenschiff Regie geführt hatte, haben wir mal angefragt, ob ein Gastspiel an Sylvester mögliche wäre. Bei der Gelegenheit haben wir uns damals auch FIGHT CLUB angesehen und waren schwer beeindruckt. - Naja, also das Gastspiel fand statt, und nach der Vorstellung kam André zu mir und fragte, ob ich Interesse hätte, mal bei einem Stück mitzuspielen. Ich sagte „Ja!”, und im Sommer 2009 bekam ich dann die Rolle der Antonia.

Lilja: Aber davor hast du auch schon viel Theatererfahrung gesammelt, was hast du so gemacht?

Tanja: Ich komm ja aus Bottrop (ja,ja, ...krichse einen aufn Kopp dropp, Gähn!!). Bottrop ist toll, nur gab es zu meiner Schulzeit keine Theater-AG. Eines Tages im Jahre 1991 - warum auch immer, ich hatte bis dato auch nicht groß über Theater nachgedacht - legte meine Mutter mir einen Zeitungsartikel auf den Schreibtisch und meinte: “Das Kulturamt Bottrop will hier ne Theatergruppe aufmachen, geh doch mal hin.”
Hab ich gemacht und damit ging‘s los. Von da aus gab‘s einen kurzen Abstecher zum Hörfunk, weil Ruhrpott-Stimmen gebraucht wurden; und durch Menschen die jemanden kannten, die wieder jemanden kannten hab ich immer mal wieder Gastverträge und Praktika in Schauspielhäusern gemacht: in Bochum, Oberhausen, Düsseldorf und Essen zum Beispiel als Souffleurin, Assistentin oder Inspizientin.
Dazu kamen in der freien Szene Theaterstücke als Schauspielerin in wechselnden Ensembles, Mitglied der Theatergruppe “Glassbooth” in Essen und eben Ensemblemitglied des narrenschiffs. An dieser Stelle liebe Grüße an die A 40, mit einem kräftigen: “Stehst du noch oder fährst du schon?” Also die Anfahrten von Essen nach Unna waren kein Spaziergang...ach nee, doch! Genau das waren sie. :-) Aber sie haben sich gelohnt!

Lilja: Du bist als Quereinsteiger im tn eine Ausnahme, die meisten wachsen hier ja über den Jugendclub rein. Hast du das Gefühl, dadurch Rollen verpasst zu haben?

Tanja: Nein.

Lilja: Hast du eine Lieblingsinszenierung im narrenschiff, unabhängig davon, ob du mitgespielt hast?
Tanja: Ich mochte THREE KINGS sehr, ALICE IM WUNDERLAND und HITZEWELLE.

Lilja: Und was war deine absolute Lieblingsrolle die du im Laufe der letzten Jahre spielen durftest?

Tanja: Königin Margret aus THREE KINGS und Dora Strang aus EQUUS. 

Lilja: Du hast auch schon in den vielen großen Schauspielhäusern der Region als Inspizientin oder Regieassistentin gearbeitet. Verändert das den Blick auf Inszenierungen in denen man dann selber auf der Bühne steht?

Tanja: Es entsteht ein großer Respekt vor der Schauspielkunst. Also insofern das man erkennt, dass im Theater all das möglich ist, was und wie man als RegisseurIn eben gewillt ist, ein Stück zu inszenieren. Gefällt nicht immer, aber es erweitert den Horizont.

Lilja: Im theater narrenschiff hast du schon sehr unterschiedliche Charaktere verkörpert. Was ist schwieriger: lustig sein oder richtig böse?

Tanja: Spontan würde ich sagen lustig sein. Um böse zu sein, spielt die persönliche Tagesform keine Rolle. Aber lustig zu sein bei schlechter Tagesform, z.B. wegen der A 40, da kann es sein, dass man erst so eine kleine persönliche Hürde nehmen muss, aber dann hab ich gute Laune für den Rest des Tages.

Lilja: Hast du eine absolute Traumrolle?

Tanja: Nein. Ich hab festgestellt, dass Rollen, denen ich erst skeptisch gegenüberstand, sich als traumhaft herausgestellt haben. Überraschung! Wenn ich eine Traumrolle hätte, wäre ich vielleicht bei den Proben nicht mehr offen.

Lilja: Viele Theaterleute sind abergläubisch, gibt es für dich bestimmte Rituale, bevor du auf die Bühne gehst?

Tanja: Hmm... wirklich allen Beteiligten Toi, toi, toi zu wünschen. Und ich ziehe mein Kostüm mit rechts zuerst an, also erst rechte Hand, rechtes Bein, rechter Fuß. Ich habe Lampenfieber, ich versuch dann, Wände wegzudrücken und werde kirre, wenn ich in die oft sehr fröhlichen Gesichter meiner MitspielerInnen schaue. Ich denke dann immer, ich hab sie nicht mehr alle, nun, die Antwort ist, dass ich mich mit Ritualen nicht lange aufhalten kann, weil ich meine Nerven unter Kontrolle halten muss.

Lilja: Ich liebe es, dass du immer so herzhaft lachst. Musstest du dir schon mal auf der Bühne das Lachen verkneifen? Wenn ja warum, und hast du es hingekriegt?

Tanja: Bei einer Aufführung konnte ich nicht mehr vor Lachen, weil 2 bis 3 Zuschauer eingeschlafen sind, und von hinten kam immer so ein Schrei: “Kann man mal ein bisschen lauter sprechen?”
Einmal hatte ich einen Auftritt im Bademantel und ein Hund, der nett neben Frauchen im Körbchen in der ersten Reihe saß, wollte mich angreifen! Das Frauchen hat sich nicht entschuldigt, sie meinte nur, ihr Hund hasse Bademäntel. Naja…ich mochte den Hund nicht, aber ich musste ihn ja irgendwie ins Stück einbeziehen. Da musste ich mir sehr das Lachen verkneifen, der Hund und ich haben uns länger unterhalten als vorgesehen.
Und einmal ist bei dem rasanten Auftritt einer Kollegin das Bühnenbild zusammengebrochen, daraufhin sagte sie nur trocken: “Na super, jetzt stürzt hier auch noch die ganze Bude ein!” – Ich bin dann auch zusammengebrochen...vor Lachen!

Lilja: Du arbeitest viel als freie Regisseurin und Theaterpädagogin. Inspiriert das narrenschiff deine Arbeit, oder umgekehrt?

Tanja: Nee, nicht bewusst. Das sind zwei oder besser drei Paar Schuhe. Immer alles neu, hab‘ nur mal Musik übernommen.

Lilja: Welches Stück würdest du gern mal bei uns auf der Bühne sehen?

Tanja: PETER PAN von James Barrie, NACHT, MUTTER von Marsha Norman, DIE KAHLE SÄNGERIN von Ionesco, SPAMALOT von Monty Python, THE VIRGIN SUICIDES von Jeffrey Eugenides, KOCHEN MIT ELVIS von Lee Hall, Stücke von Ingrid Lausund, insbesondere ZEIT. Und Stücke von Neil Labute insbesondere TIEF IN EINEM DUNKLEN WALD. 

Lilja: Was wünscht du dir für die nächsten 15 Jahre tn?

Tanja: Weiterhin die Chance, so viele unterschiedliche Rollen spielen zu dürfen. Und das tolle Ensemble soll noch lange dabei bleiben...aber ich denke, da muss man sich keine Sorgen machen. Und hier ein Appell an alle Theaterinteressierten aus überregionalen Städten: kommt ins narrenschiff, es lohnt sich!

Lilja: Was ist ein Theater-Zitat, das dich auch im Alltag begleitet?

Tanja: „Du musst da jetzt raus, PLAN B gibt‘s nicht. Ich will!“

Interview, Sommer 2017